Auf Schneeschuhen durch den Jura

Ein Wandertipp der NaturFreunde Schweiz von Naturfreundehaus zu Naturfreundehaus

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Mit wenig Aufwand viel «Ertrag»: Das bietet dieser Wandertipp des Schweizer NaturFreundes Guido Rutz. Zur Wahl stehen Mont Soleil, Chasseral und Montagne du Droit. Entweder einzeln und als Kurztour, oder kombiniert und etwas länger – oder gar als ausgewachsene 3-Tages-Tour mit Übernachtungen in zwei gemütlichen Naturfreundehäusern.

Dürfte ich zum Beschreiben eines Berges den Vergleich mit einem Tier heranziehen, so würde ich den Chasseral als Walfisch bezeichnen. Genauer gesagt, als den Rücken eines Walfischs, eines Pottwals – so einen, wie der sagenhafte Moby Dick einer war, nachzulesen im Roman vom Herman Melville, ein Buch, das punkto Natur, Kraft, menschlicher Dramatik und Fachwissen (unter anderem über die Methoden des im 19. Jahrhundert betriebenen Walfangs) als Meilenstein zu recht in die Geschichte der Weltliteratur eingegangen ist.

Nun gut, die Assoziation mit dem Walrücken bedarf (nebst etwas Fantasie …) eines entsprechenden Standorts des Betrachters. Und diese Standorte befinden sich allesamt südöstlich des Chasserals: aus dem Großen Moos, aus der Schweizer Bundeshauptstadt, aus den Voralpen, aus dem Berner Oberland. Und auf diesen gewaltigen, langgezogenen, kahlen Rücken – mit seiner melancholisch wirkenden Ausstrahlung – führt die eine unserer Schneeschuhtouren. Es ist auch eine Reise in die Weite, in den Wind, in die Einsamkeit.

Nur wenige Kilometer (Luftlinie sogar bloß 3 Kilometer) sind es von der Stadt Biel bis Orvin, und von dort sind’s noch zwei, drei mehr bis nach Prés d’Orvin und damit zum Naturfreundehaus gleichen Namens. Es ist im Eigentum der NaturFreunde-Sektion Biel; es ist robust, stattlich, währschaft; ein bestens eingerichtetes Selbstkocherhaus. Und ja: es ist einzig und allein (noch) im Besitz der NaturFreunde und ein Angebot für alle, weil ein paar Frauen und Männer sich (auch) für dieses Haus mit viel Herzblut eingesetzt haben – und nach wie vor einsetzen!

Trifft man im Verlauf des Tages beim Naturfreundehaus Prés d’Orvin ein (das Postauto ab SBB-Bahnhof Biel stoppt in unmittelbarer Nähe), bietet die Schneeschuhtour zum Mont Sujet, respektive um den Mont Sujet eine schöne Einstiegswanderung. Man braucht dazu etwa 4,5 Stunden und erhält, zumindest was die Aussicht über das Drei-Seen-Land und Richtung Hochalpen betrifft, einen Vorgeschmack auf den Chasseral.

Service: Schneeschuhtouren im Berner Jura

Drei nicht schwierige Schneeschuhtouren (WT1): Jede für sich allein möglich; wer sie aneinanderreiht, erhält eine 3-Tages-Tour mit Unterkunft in Naturfreundehäusern (Kartenansicht).

Tour 1: rund um den Mont Sujet ab Naturfreundehauss Prés d’Orvin. Wanderzeit: ca. 4,5 Std. Distanz: 15 km mit 580 m Auf-/Abstieg. Anreise: per Bus Nr. 70 ab Bahnhof Biel bis Prés Orvin (Haltestelle Le Grillon, wenige Minuten vor dem Naturfreundehaus).

Tour 2: ab Naturfreundehaus Prés d’Orvin (1.058 m) zum Chasseral (1.606 m) und hinunter nach St-Imier (793 m) und per Standseilbahn zum Mont Soleil ins Naturfreundehaus Mont Soleil (1.257 m, 10 Minuten ab der Bergstation). Wanderzeit: ca. 5,5 Std. Distanz: 18 km, Aufstieg 730 m, Abstieg 1.000 m.

Tour 3: ab Naturfreundehaus Mont Soleil (1.257 m) via Méterie Chalet Neuf (1.259 m) nach Sombeval (653 m, Bahnstation). Wanderzeit: ca. 4,5 Std. Distanz: 17,5 km, Aufstieg 200 m, Abstieg 780 m.

Naturfreundehaus Prés d’Orvin: Reservation erforderlich über Tel. +41 (0)79 520 86 23 (Beat Fivian) oder per Mail haus@naturfreunde-biel.ch.

Naturfreundehaus Mont Soleil: Reservation erforderlich über Tel. +41 (0)32 842 54 40 (Hanna Frayne) oder +41 (0)79 397 02 82 oder per Mail reservations-montsoleil@laserment.com.

Naturfreundehaus La Chatelaine: Im Abstieg vom Chasseral (Tour 2) könnte auch eine Übernachtung im gemütlichen Haus La Chatelaine ins Auge gefasst werden. Es gehört der NaturFreunde-Sektion Lyss, ist ebenfalls ein Selbstkocherhaus, simpel aber urgemütlich und fernab von jeglichem Rummel. Reservation erforderlich über Tel. +41 (0)32 392 2613 (Denise + Martin Zimmermann) oder via www.naturfreundehaeuser.ch/la-chatelaine.

Da und dort wird für den Mont Sujet (auf Berner Kantonsboden) noch ein alter deutschsprachiger Namen verwendet, dann ist vom «Spitzberg» die Rede, aber mit einem spitzen Berg hat der Mont Sujet nichts zu tun; es heißt, das Wort Sujet sei hergeleitet aus dem frankoprovenzalischen «suche», was wiederum auf «kleiner, runder Berg» hindeute. Wie dem auch sei, ähnlich wie der Chasseral ist auch der Mont Sujet ein länglicher Bergrücken, ein aus dem Wald sich erhebender Rücken, ein Bergkamm. Dessen höchster Punkt liegt auf 1.382 Metern.

Ab Naturfreundehaus Prés d’Orvin (1.058 m) steigt man in südwestlicher Richtung und in nächster Nähe zum Skilift zu Punkt 1182 und folgt anschliessend plus/minus dem Wanderweg (je nach Schneelage) bis Noire Combe und von dort hinauf zum höchsten Punkt (Mont Soleil, 1.382 m).

Der Abstieg (mit angenehmem Gefälle) führt erst durch lockeren und dann zunehmend dichteren Baumbestand in den Forêt de Chassin und schliesslich durch den Taleinschnitt via Pentier (1.015 m) auf die «hintere» Seite des Mont Sujet, respektive ins Les Prés Vaillons mit seinen Langlaufloipen – und damit wieder auf den Weg retour ins Naturfreundehaus. Und dort wartet, für jene, die bloß einen Tag zur Verfügung haben, das Postauto retour nach Biel/Bienne. Ansonsten wird’s Zeit für die Küche und damit für das Fondue im Naturfreundehaus.

Anderntags lockt die Tour auf den Chasseral; er ist der große Bruder des Mont Sujet. Losmarschieren kann man direkt ab Naturfreundehaus, man kommt dabei (wie bei der oben beschriebenen Wanderung um den Mont Sujet) wieder an der Métairie de Prêles vorbei, von wo es dann durch lichten Wald deutlich ansteigt auf den Höhenrücken des Chasserals. Auch hier folgt man plus/ minus der ausgeschilderten Wanderroute und oben auf dem Kamm ist die Sache eh klar: Es geht stets westwärts, weit vorne ragt die über 100 Meter hohe Chasseral-Antenne in den Himmel.

Was diese Touren, ob auf den Mont Sujet oder den Chasseral, ebenfalls auszeichnet, das ist die Weite der Landschaft, diese ausgedehnten Höhenweiden. Der Jura ist nicht die Miniaturausgabe der Alpen, der Jura ist anders. Der Blick endet nicht an einer gegenüberliegenden Felswand, vielmehr schweift er über leicht gewellte Höhenzüge, weit in die Ferne, hinaus ins Französische, ins noch Unbekanntere. Wohltuend ist dieses Gefühl. Man hat Platz um sich, viel Raum. Kein Gedränge.

Aber manchmal kommt auf diesen Höhenzügen starker Wind auf, dann kann’s garstig werden und man ist froh, sich die Kapuze über die Ohren ziehen zu können. Dann bilden Wind und Kälte ihre Installationen an Zäunen und Wegweisern; es sind Eisgebilde, Eiskristalle; der Raureif als unermüdlicher Landschaftsgestalter.

Die Tour ab Naturfreundehaus Prés d’Orvin (1.058 m) zum Chasseral (1.606 m) kann hinunter führen nach St-Imier (793 m, Bahnstation). Und wer mag und kann, hängt noch einen dritten Tag an, lässt sich von St-Imier per Standsteilbahn auf den Mont Soleil tragen und quartiert sich dort oben im Naturfreundehaus Mont Soleil (1.257 m) ein. Auch dieses ist ein Selbstkocherhaus (das heißt, man nimmt das Essen selbst mit), sympathisch, einfach, mit insgesamt 38 Betten (darunter zwei 4er-Zimmer); und mit einer Preispolitik, die die Vorteile der NaturFreunde-Mitgliedschaft deutlich hervorstreichen: ein erwachsenes NaturFreunde-Mitglied zahlt 9, ein Nicht-Mitglied 22 Franken pro Übernachtung.

Wie gesagt: Mit wenig Aufwand gibt’s hier viel «Ertrag». Man kann die drei hier vorgeschlagenen Schneeschuhtouren einzeln machen, man kann sie problemlos abkürzen (ein Blick auf die Wanderkarte zeigt die Möglichkeiten) oder aber man hängst sie aneinander.

Wer letzteres wählt, wandert ab Naturfreundehaus Mont Soleil weiter auf dem Höhenrücken der Montage du Droit nach Sombeval. Das sind gut 17 Kilometer. Man ist wiederum über dem Wald, im Sommer ist’s Weideland, jetzt im Winter wirkt’s oft unberüht, verlassen, einsam. Die Aussicht von hier ist nun aber eine andere, man hat (gegen Südosten hin) den Chasseral vor einem, aber in die andere Richtung, gegen Westen, geht’s hinaus nach Frankreich – und man weiß: Da hat’s noch so viele Möglichkeiten.

Wandertipp: Guido Rutz
Text: Herbert Gruber
Dieser Wandertipp erschien zuerst in der Winterausgabe 4-2017 des Schweizer NaturFreunde Mitgliedermagazins Naturfreund.

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